Im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geht es um mehr als den Austausch Arbeitsleitung gegen Lohn. Es geht auch um Treuepflichten auf der einen und Fürsorge auf der anderen. Im Rahmen seiner Fürsorgepflicht hat der Arbeitgeber die Arbeitsräume, Gerätschaften, Maschinen und Kraftfahrzeuge so einzurichten und die Arbeit so zu regeln, dass die Arbeitnehmer weitmöglichst geschützt sind. Ebenfalls vor dem Hintergrund dieser Fürsorgepflicht zu sehen ist die aktuellere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG), wonach ein Arbeitgeber gehalten ist, bei längeren Erkrankungen eines jeden Arbeitnehmers, also nicht nur bei Arbeitnehmern, die im Sinne des Gesetzes schwerbehindert sind, ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement (kurz BEM) durchzuführen. Die konkrete Durchführung ist derzeit häufig Gegenstand von Prozessen vor den Untergerichten – so auch folgender Fall:
Der Arbeitnehmer hat typische Bürotätigkeiten verrichtet. Er erkrankt und ist dann längere Zeit arbeitsunfähig. Während er arbeitsunfähig ist, erhebt er gegen den Arbeitgeber eine Klage auf Durchführung eines BEM, weil er meint, dass er auf seinem bisherigen Arbeitsplatz aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr beschäftigt werden kann. Ferner erhebt er Klage auf Erstellung und Übersendung einer Gefährdungsbeurteilung für seinen Arbeitsplatz.
Die gesetzlichen Grundlagen für die zugrundeliegenden Pflichten des Arbeitgebers zur Fürsorge seinen Arbeitnehmern gegenüber finden sich in § 241 Abs. 2 BGB und werden in §§ 617 bis 619 BGB konkretisiert. Die Generalklausel des § 618 BGB wird ferner durch eine Vielzahl weiterer Schutzvorschriften näher ausgestaltet – u.a. durch § 5 Abs. 1 ArbSchG.
Noch während das Klageverfahren läuft, führt der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer ein Gespräch im Rahmen des BEM. Im Rahmen dessen begehrt der Arbeitnehmer einen Heimarbeitsplatz. Eine Einigung mit dem Arbeitgeber konnte insoweit aber nicht erzielt werden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Erstellung und Übersendung einer Gefährdungsbeurteilung abgewiesen. Zum Zeitpunkt der Abfassung des Urteils stand mangels Einigung im Rahmen des BEM (s.o.) noch nicht fest, ob ein Heimarbeitsplatz für den Arbeitnehmer vorhanden ist bzw. eingerichtet wird.
Das Arbeitsgericht Hameln hat ausgeführt, dass dem Arbeitnehmer prinzipiell nach § 5 Abs. 1 ArbSchG ein Anspruch auf eine Beurteilung der mit seiner Beschäftigung verbundenen Gefährdungen zusteht. Das Gericht ist allerdings der Auffassung, dass dieser Anspruch nur dann besteht, wenn zwischen den Vertragsparteien geklärt ist, auf welchem Arbeitsplatz die Beschäftigung des Arbeitnehmers tatsächlich stattfindet. Der Arbeitgeber, so das Arbeitsgericht, sei erst dann zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung verpflichtet, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer tatsächlich einzusetzen, da der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, für einen Arbeitnehmer für alle denkbaren Arbeitsplätze eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen.
Nach Ansicht des Arbeitsgerichts konnte also der Arbeitnehmer die begehrte Gefährdungsbeurteilung erst dann verlangen, wenn das betriebliche Wiedereingliederungsmanagement erfolgreich abgeschlossen und ein konkreter Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer gefunden wurde. Das war allerdings bei Abfassung des Urteils noch nicht der Fall, sodass die Klage insoweit abzuweisen war.
Hingewiesen hat das Arbeitsgericht noch darauf, dass der Arbeitnehmer lediglich einen Anspruch auf Einsichtnahme in eine Gefährdungsbeurteilung hat, ein Anspruch auf vollständige Übersendung nicht bestehen dürfte. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.