Rechtsexperten in überregionalen Medien aller Art weisen immer wieder darauf hin, dass arbeitsrechtliche Probleme in der aktuellen Situation nur im Einvernehmen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu lösen seien. In einem wöchentlich erscheinenden überregionalen Nachrichtenmagazin wurde gar mitgeteilt, das deutsche Arbeitsrecht erfasse die Konstellationen, die durch die Corona-Krise entstehen, nicht. Wir halten das für falsch. Eine Vielzahl aktueller Fragen lässt sich anhand der bestehenden gesetzlichen Vorgaben beantworten. Beispielhaft stellen wir nachfolgend diejenigen Fragen da, die im häufigsten an uns herangetragen werden.
Fall 1:
Der Arbeitnehmer kommt nicht mehr zur Arbeit. Er hat Angst, sich mit dem Virus zu infizieren.
Lösung:
Ein Leistungsverweigerungsrecht besteht nicht, solange die Arbeit für den Arbeitnehmer nicht eine erhebliche objektive Gefahr für seine Gesundheit darstellt. Der Arbeitnehmer hat also zur Arbeit zu erscheinen. Er trägt insbesondere das Wegerisiko, dies auch dann, wenn öffentlicher Nahverkehr oder die üblichen Transportmittel nur eingeschränkt oder gar nicht zur Verfügung stehen. Er kann sich dann grundsätzlich nicht darauf berufen, sich möglicherweise im Rahmen der Arbeitsleistung zu infizieren. Dies gilt jedenfalls solange, wie der Arbeitgeber seiner allgemeinen arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht nachkommt (wovon grundsätzlich auszugehen ist) und es keine konkreten Verdachtsfälle oder nachgewiesenen Infektionen im Betrieb gibt.
Bleibt der Arbeitnehmer trotzdem fern, so könnte dies mit einer Abmahnung geahndet werden. Sollte sich daraufhin eine Verhaltensänderung nicht einstellen, könnte darauf sogar eine Kündigung gestützt werden. Aufgrund des unberechtigten Fernbleibens entfällt auch der Vergütungsanspruch.
Fall 2:
Der Arbeitnehmer möchte im Home-Office arbeiten oder der Arbeitgeber möchte einem Arbeitnehmer einen Home-Office-Arbeitsplatz zuweisen.
Lösung:
Wenn im Arbeitsvertrag geregelt ist, dass die Arbeit im Home-Office erfolgen kann, dann ist dies unproblematisch möglich, sowohl auf Wunsch des Arbeitnehmers als auch auf Weisung des Arbeitgebers.
Oftmals existiert eine solche arbeitsvertragliche Grundlage nicht. Dann hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf, im Home-Office zu arbeiten. Die arbeitsrechtliche Vereinbarung dahingehend, die Dienste im Betrieb zu erbringen, geht vor.
Auf der anderen Seite kann der Arbeitgeber aber auch nicht ohne arbeitsvertragliche Grundlage den Arbeitnehmer ins Home-Office verweisen. Dem steht nicht nur die fehlende Regelung im Arbeitsvertrag entgegen, sondern auch Art. 13 des Grundgesetzes, wonach die Wohnung besonderen Schutz genießt. Die Einrichtung des Home-Office gegen den Willen des Arbeitnehmers würde also einen nicht gerechtfertigten Eingriff in dessen Grundrechte darstellen.
Fall 3:
Der Arbeitgeber will den Arbeitnehmer einseitig freistellen.
Lösung:
Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich einen sogenannten Beschäftigungsanspruch, er hat also ein Recht darauf, vom Arbeitgeber konkret beschäftigt zu werden. Es müsste also eine Fallgestaltung vorliegen, in der dieser Beschäftigungsanspruch von dem Freistellungsinteresse des Arbeitgebers überlagert wird. Eine solche Konstellation ist denkbar, wenn der Arbeitnehmer aus einem vom Robert-Koch-Institut anerkannten Risikogebiet zurückkehrt. Die Fürsorgepflicht der übrigen Arbeitnehmer gegenüber könnte es dann rechtfertigen, den Arbeitnehmer einseitig freizustellen. Die Vergütungspflicht entfällt aber zunächst nicht.
Insbesondere kann nicht einseitig Urlaub „verrechnet“ werden. Auch Zeitguthaben könne nur dann gegengerechnet werden, wenn im Rahmen der Vereinbarung des Arbeitszeitkontos dem Arbeitgeber dieses Weisungsrecht vorbehalten ist.
Fall 4:
Der Arbeitnehmer will eine Dienstreise unternehmen, die der Arbeitgeber aktuell für unangemessen hält, dies aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos oder der Arbeitgeber will eine solche Reise anordnen.
Lösung:
Hier überwiegt das Weisungsrecht des Arbeitgebers, der die Dienstreise untersagen kann. Umgekehrt kann auch der Arbeitnehmer Dienstreisen in solche Risikogebiete verweigern. Allein die allgemeine Sorge, sich zu infizieren reicht dagegen nicht (bei Reisen in Nichtrisikogebiete).
Fall 5:
Was ist mit privaten Reisen des Arbeitnehmers in Risikogebiete?
Lösung:
Die Reise als solche kann der Arbeitgeber nicht untersagen, sie fällt in den Privatbereich des Arbeitnehmers. Gegebenenfalls aber schuldet der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz nicht, wenn der Arbeitnehmer eine Erkrankung durch eigenes Verschulden (Reise ins Risikogebiet) verursacht hat.
Überdies dürfte den Arbeitnehmer auch die Pflicht treffen, nach einer solchen Reise den Arbeitgeber darüber zu informieren. Dies dürfte auch dann gelten, wenn Kontakt zu einer infizierten Person stattgefunden hat.
Fall 6:
Der Arbeitgeber will sich über den Gesundheitszustand eines Arbeitnehmers und das damit verbundene Infektionsrisiko der übrigen Arbeitnehmer informieren. Darf er den Arbeitnehmer dazu befragen bzw. muss dieser Auskunft erteilen?
Lösung:
Datenschutzrechtlich zulässig sind Fragen danach, ob eine konkrete Infektion festgestellt worden ist, ob man sich in einem vom Robert-Koch-Institut anerkannten Risikogebiet aufgehalten hat oder ob man Kontakt mit einer infizierten Person gehabt hat. Diese Fragen sind zu beantworten.
Fall 7:
Kinderbetreuung oder Arbeitspflicht? Der Arbeitnehmer will seine Kinder betreuen, da diese Schule oder Kita nicht besuchen können.
Lösung:
Hier wird immer wieder auf § 616 BGB verwiesen, wonach der Vergütungsanspruch beibehalten wird, wenn der Arbeitnehmer – abgekürzt gesagt – ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung gehindert ist. Dies gilt allerdings nur dann, wenn diese Veränderung für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit besteht. Dies dürfte in der aktuellen Lage nicht der Fall sein, da man nicht davon ausgehen kann, nach wenigen Tagen seine Kinder wieder in Schule oder Kita unterbringen zu können. Von der vorbezeichneten Norm sind also vor allem diejenigen Fälle erfasst, in denen der Arbeitnehmer spontan sein Kind aus der Kita abholt, da dieses erkrankt ist und er sodann zurück an den Arbeitsplatz kehrt. Wochenlange Betreuungszeiten werden dagegen nicht erfasst, der Vergütungsanspruch entfällt.
Alle oben dargestellten Konstellationen gehen nicht davon aus, dass aufgrund behördlicher Maßnahmen der Betrieb geschlossen wird (behördliche Verfügung). Dann gelten andere Regelungen, da es für alle Beteiligten unmöglich wäre, Arbeitsleistung zu erbringen bzw. Arbeitsleistung entgegenzunehmen. Dies betrifft insbesondere die Fälle der sogenannten „echten“ Quarantäne. Diese Fälle sind im Infektionsschutzgesetz geregelt. Die wesentlichen Voraussetzungen ergeben sich aus §§ 30, 31 Infektionsschutzgesetz. In solchen Fällen besteht ein Entschädigungsanspruch, der zu einer Handhabung in Anlehnung an die bekannten Zahlen und Sätze von Entgeltfortzahlung im Krankengeld führt.
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Autor:
Bodo Winkler
Fachanwalt für Arbeitsrecht