Grundsätzlich haften Gesellschafter einer GmbH nur für die Aufbringung der von ihnen auf ihren Geschäftsanteil übernommenen Stammeinlage. Bringt ein Gesellschafter die von ihm auf seinen Geschäftsanteil übernommene Stammeinlage nicht auf, kann die Gesellschaft ihn mit diesem Geschäftsanteil kaduzieren und zunächst versuchen, die Stammeinlage von den früheren Inhabern dieses Geschäftsanteiles zu erlangen. Bleibt dies erfolglos und kann die Gesellschaft den Anteil auch nicht anderweitig verwerten, haften ausnahmsweise auch die Mitgesellschafter für die Aufbringung der nicht geleisteten Stammeinlage. Voraussetzungen und Grenzen dieser Ausfallhaftung der Mitgesellschafter waren Gegenstand der Entscheidung des BGH v. 19.5.2015 – II ZR 291/14.

Die Sicherung der Kapitalaufbringung ist eine zentrale Säule des gesetzlichen Gläubigerschutzkonzeptes der GmbH. Für die Leistung der Einlagen haften alle Gesellschafter nach den gesetzlich zwingenden Vorschriften. Leistet ein Gesellschafter die Einlage auf den von ihm übernommenen Geschäftsanteil trotz Aufforderung mit Fristsetzung nicht, kann der Geschäftsanteil dieses Gesellschafters mit der Folge kaduziert werden, dass der Gesellschafter alle Rechte an diesem Geschäftsanteil zugunsten der Gesellschaft verliert. Die Gesellschaft kann dann etwaige Rechtsvorgänger des kaduzierten Gesellschafters für die rückständige Einlage im Wege des Staffelregresses in Anspruch nehmen und, wenn Rechtsvorgänger nicht vorhanden oder nicht zahlungsfähig sind, den Geschäftsanteil verwerten. Bleibt auch die Verwertung ganz oder teilweise erfolglos, so haften die übrigen Gesellschafter der Gesellschaft für den Fehlbetrag im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile. Diese Ausfallhaftung kann im Extremfall dazu führen, dass ein Gesellschafter trotz seiner nur ganz geringen Beteiligung am Stammkapital für die Aufbringung des gesamten Stammkapitals der Gesellschaft haftet. Da diese potenziell ruinöse Ausfallhaftung den Beteiligten häufig unbekannt ist, ist der Notar bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages und bei Kapitalerhöhungen verpflichtet, die Beteiligten auf diese Haftungsfolge hinzuweisen.

Diese harten Folgen für die Gesellschafter im Fall der Nichtleistung der Einlagen dürften ein Grund mit dafür sein, dass Entscheidungen zu diesem Normenkomplex selten sind. Umso bedeutsamer ist die Entscheidung des BGH v. BGH 19.5.2015, in welcher der BGH ausführlich zu den Voraussetzungen und Grenzen einer Ausfallhaftung nach § 24 GmbHG Stellung genommen hat.

Ausgangspunkt der Prüfung des BGH war zunächst als erste Haftungsstufe eine mögliche Inanspruchnahme eines Mitgesellschafters im Staffelregress nach § 22 GmbHG. Diese Rückgriffshaftung trifft alle Gesellschafter, die zeitlich vor dem kaduzierten Gesellschafter Inhaber des Geschäftsanteiles waren, der Auslöser des Kaduzierungsverfahrens war. Im Rahmen der Rückgriffshaftung haften die früheren Inhaber des kaduzierten Geschäftsanteiles in zeitlich umgekehrter Reihenfolge ihrer Inhaberschaft. Mehrere gemeinschaftliche Rechtsvorgänger haften gemäß § 18 Absatz 2 GmbHG als Gesamtschuldner. Frühere Rechtsvorgänger dürfen im Staffelregress nur dann in Anspruch genommen werden, wenn von ihren Rechtsnachfolgern die ausstehende Stammeinlage nicht zu erlangen ist.

Im entschiedenen Fall hat der BGH eine Rückgriffshaftung nach § 22 GmbHG zutreffend verneint, da der Beklagte nicht Rechtsvorgänger des Mitgesellschafters in Bezug auf den kaduzierten Geschäftsanteil war. Im Staffelregress des § 22 GmbHG haften nur diejenigen Gesellschafter als Rechtsvorgänger, die vor der Kaduzierung Inhaber des kaduzierten Geschäftsanteiles waren. Mitgesellschafter, die ausschließlich andere Geschäftsanteile als den kaduzierten Geschäftsanteil gehalten haben, haften hingegen nicht nach § 22 GmbHG.

Bleibt der Staffelregress erfolglos, weil Rechtsvorgänger nicht vorhanden sind oder diese nicht leistungsfähig sind, ist die Gesellschaft verpflichtet, den kaduzierten Geschäftsanteil nach § 23 GmbHG zu verwerten, d.h. im Wege einer öffentlichen Versteigerung zu verkaufen. Für die Gesellschaft besteht eine gesetzliche Pflicht zur Verwertung, die Geschäftsführung ist jedoch frei, den Zeitpunkt der Verwertung zu bestimmen. Da eine erfolglose Verwertung Voraussetzung für die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter nach § 24 GmbHG ist, ist ein Verzicht auf eine Verwertung nur in Ausnahmefällen zulässig. Ein derartiger Ausnahmefall wird dann anerkannt, wenn eine Verwertung des Geschäftsanteiles offenkundig aussichtslos ist, was regelmäßig insbesondere bei Insolvenz der Gesellschaft der Fall sein dürfte. Ist eine Verwertung offenkundig aussichtslos, kann die Gesellschaft die übrigen Gesellschafter auch ohne Verwertungsversuch aus ihrer Ausfallhaftung in Anspruch nehmen, die Gesellschaft ist jedoch für die Aussichtslosigkeit der Verwertung beweispflichtig.

Aus diesem Grund hat der BGH in seiner Entscheidung auch ohne weitere Feststellungen über eine Verwertung des Geschäftsanteiles unmittelbar die Voraussetzungen einer Ausfallhaftung des Beklagten nach § 24 GmbHG geprüft – und diese nach sorgfältiger Prüfung abgelehnt. Dabei hat der BGH zunächst den Grundsatz bestätigt, dass der Insolvenzverwalter berechtigt ist, in der Insolvenz der Gesellschaft ausstehende Einlagen auch ohne satzungsrechtliche Ermächtigung und ohne Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nummer 2 GmbHG einzufordern.

Die Fälligkeit einer noch nicht geleisteten Stammeinlage bestimmt sich vorrangig nach der Satzung. Enthält die Satzung, wie im entschiedenen Fall, keine Fälligkeitsbestimmung, tritt die Fälligkeit erst mit Fassung eines Einforderungsbeschlusses durch die Gesellschafter (§46 Nummer 2 GmbHG) und der tatsächlichen Einforderung durch die Geschäftsführer der Gesellschaft ein. Im Falle der Insolvenz geht die Kompetenz zur Einforderung auf den Insolvenzverwalter über, ein Einforderungsbeschluss der Gesellschafter ist entbehrlich.

Da der Beklagte im vorliegenden Fall knapp zwei Jahre vor der Einforderung der Stammeinlage seines Mitgesellschafters aus der Gesellschaft ausgeschieden war, hat der BGH eine Haftung des Beklagten folgerichtig verneint. Aber aufgrund der jeweiligen Besonderheiten jedes Einzelfalles sollten sich Gesellschafter des Risikos bewusst sein!