Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 24.01.2013, Az. 2 AZR 150/12 den Begriff des Kleinbetriebs völlig neu definiert. Diese Entscheidung hat sehr weitreichende Folgen für Kleinbetriebe mit bis zu 10 eigenen Mitarbeitern, die einen regelmäßig anfallenden höheren Personalbedarf mit zusätzlichem Fremdpersonal decken.
Im Ergebnis hat das BAG festgestellt, dass es für die Ermittlung der Betriebsgröße und der damit zusammenhängenden Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht nur auf die Arbeitnehmer im Betrieb ankommt, mit denen ein Arbeitsverhältnis besteht.
Bei der für die Betriebsgröße relevanten Berechnung sind nunmehr auch Leiharbeitnehmer, die im Betrieb beschäftigt werden, zu berücksichtigen. Voraussetzung ist lediglich, dass ihr Einsatz auf einem "in der Regel vorhandenen Personalbedarf" beruht.
Diese Rechtsprechung dürfte auch anwendbar sein bei Arbeitgebern, die ihren regelmäßigen Personalbedarf zwar nicht mit Leiharbeitnehmern, jedoch mit sonstigem Personal decken, mit dem kein Arbeitsverhältnis begründet wird, z.B. mit sog. "freien Mitarbeitern".
Im Einzelnen:
Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gilt das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) für Arbeitnehmer, die nach dem 31.12.2003 eingestellt wurden in Betrieben mit in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmern.
Bisher konnte man davon ausgehen, dass bei einer Beschäftigung von bis zu 10 eigenen Arbeitneh-mern das KSchG keine Anwendung findet.
Auch nach bisheriger Rechtslage liefen Arbeitgeber Gefahr, die Schwelle des KSchG zu überschreiten, wenn Sie freie Mitarbeiter beschäftigten, deren Status tatsächlich dem eines Arbeitnehmers entsprach. Abgesehen davon konnte sich der Arbeitgeber jedoch darauf verlassen, dass eine Beschäftigung von Leiharbeitnehmern nicht dazu führt, dass die Schwelle der Anwendbarkeit des KSchG überschritten wird.
Nunmehr kommt es nicht mehr darauf an, ob es sich bei den Personen, die zusätzlich zum eigenen Personal eingesetzt werden, um echte "freie Mitarbeiter" oder Leiharbeitnehmer handelt, denn es kommt für die Anwendbarkeit des KSchG darauf an, ob ihr Einsatz auf einem "in der Regel vorhandenen Personalbedarf" beruht.
Dem Urteil des BAG lag der Fall eines Klägers zugrunde, der seit Juli 2007 beschäftigt war. Die Arbeitgeberin beschäftigte einschließlich des Klägers nur 10 eigene Arbeitnehmer.
Das Arbeitsverhältnis wurde von Seiten der Arbeitgeberin fristgerecht gekündigt. Mit seiner Kündi-gungsschutzklage machte der Kläger geltend, dass bei der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Ar-beitnehmer auch die von der Beklagten eingesetzten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen seien.
Der Arbeitnehmer drang mit seinem Vorbringen in den ersten beiden Instanzen nicht durch, da sowohl Arbeitsgericht als auch LAG die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes verneinten.
Der zweite Senat des BAG gab dem Kläger Recht, da der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern nicht schon die Tatsache entgegenstehe, dass mit ihnen kein Arbeitsverhältnis besteht.
Die sog. Kleinbetriebsklausel des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG soll der bei Kleinbetrieben häufig vorhan-denen engen persönlichen Zusammenarbeit sowie der meist geringen Finanzausstattung Rechnung tragen. Dies rechtfertigt jedoch keine Unterscheidung danach, ob die im Betrieb kennzeichnende regelmäßige Personalstärke auf dem Einsatz eigener oder entliehener Arbeitnehmer beruht.
Der Senat des BAG hat den Ausgangsfall zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das zuständige LAG zurück verwiesen. Das LAG hat nunmehr zu prüfen, ob die im Kündigungszeitpunkt bei der Beklagten tätigen Leiharbeitnehmer aufgrund eines "in der Regel vorhandenen Personalbedarfs" eingesetzt wurden.
Wie der "in der Regel vorhandene Personalbedarf" zu ermitteln ist, bleibt offen. Sicher wird man aber einen durchgehenden Einsatz von mehr als drei Monaten als ausreichend ansehen müssen.
Das Urteil hat auch Auswirkungen auf die Anwendbarkeit anderer Gesetze, z.B. beim Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit. Nach § 8 Abs. 7 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) besteht ein Anspruch auf Arbeitszeitverkürzung, wenn der Arbeitgeber mehr als 15 "Arbeitnehmer" beschäftigt.
Aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts lässt sich die Empfehlung ableiten, die Personalstärke sowie ihre Zusammensetzung stets genau zu überprüfen, um nicht ungewollt in die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zu kommen. Dies spätestens bei Einsatz von Leiharbeitnehmern und sonstigen, nicht eigenen Personal.
Viele "Kleinbetriebe" sind kündigungsschutzrechtlich nunmehr wohl keine mehr.
Bei Fragen zu diesem Themengebiet wenden Sie sich bitte an den Autor Rechtsanwalt Felix von Baumbach. Herr von Baumbach ist Fachanwalt für Arbeitsrecht mit Sitz in Bückeburg.