Ein immer wieder in der Praxis anzutreffendes Problem besteht darin, dass in kleineren und mittelständischen Unternehmen durch die oft in Familienhand liegende Geschäftsleitung freundlicherweise beschlossen worden ist, dass Weihnachtsgeld und auch Urlaubsgeld gezahlt werden. Diese Beschlüsse stammen meist aus „guten Jahren“. Schwierig aus Sicht aller Beteiligter wird es dann jedoch, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse negativ verändern.
Zugunsten der Arbeitnehmer wird aus anwaltlicher Sicht sehr schnell auf „betriebliche Übung“ abgestellt und mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dahingehend argumentiert, dass nach vorbehaltloser, dreimaliger Zahlung des identischen Betrages der Arbeitnehmer auf die Weiterzahlung des Betrages vertrauen durfte und daher die betriebliche Übung eingesetzt hat.
Nun kommt es jedoch nicht selten vor, dass gerade in kleineren und mittelständischen Unternehmen aufgrund der Nähe zwischen Arbeitnehmern und der Geschäftsleitung über das schwarze Brett, Betriebsversammlungen oder Einzelgespräche klar gemacht wird, dass leider in dem Jahr X kein Weihnachtsgeld und/oder Urlaubsgeld gezahlt werden kann. Nicht selten hat die Belegschaft dafür Verständnis und kann aus eigener Anschauung auch beurteilen, ob der Chef hier nur blufft oder ob tatsächlich die Auftragslage entsprechend bescheiden ist.
Es kommt daher nicht vor, dass in solchen Konstellationen über mehrere Jahre dann keine Sonderzahlungen mehr geleistet wurden.
Meistens mit Ausscheiden des Arbeitnehmers entsinnt sich dieser dann, oft auch unter anwaltlicher Hilfe, seiner vermeintlichen Ansprüche aus der vorstehend zitierten betrieblichen Übung.
Von der dreijährigen Verjährung einmal abgesehen stellt sich dann die Frage, ob in den Fällen, in denen beispielsweise seit 7, 8 und mehr Jahren nichts mehr gezahlt worden ist, noch Ansprüche bestehen.
Zunächst besteht Einigkeit darüber, dass es eine negative betriebliche Übung nicht gibt. So abwegig ist das nicht, denn man könnte auch auf den Gedanken kommen, wenn es nach dreimaliger Zahlung schon einen Anspruch gibt, dann müsste doch eigentlich im Umkehrschluss nach dreimaliger Nichtzahlung und Hinnahme durch den Arbeitnehmer, indem er beispielsweise die Arbeitsgerichte diesbezüglich gerade nicht angerufen hat, eine negative betriebliche Übung eingesetzt haben mit der Folge, dass der Anspruch entfällt. Dies wird jedoch von der Rechtsprechung nicht anerkannt.
Allerdings stellt sich die Frage, ob bei der jahrelangen, klaglosen und unter Hinnahme der Situation weiter erbrachten Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer kein diesbezügliches Änderungsangebot vorlag, welches der Arbeitnehmer konkludent durch sein Verhalten angenommen hat. Die Frage ist dabei, welche Anforderungen an Angebot und Annahme zu stellen sind. Nach der Entscheidung BAG vom 30.07.1985, NZA 1986, 474 reicht eine bloß stillschweigende Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit nicht als Annahme des Änderungsangebots. Allerdings soll eine Zustimmung dann angenommen werden, wenn sich die Vertragsänderung unmittelbar im Arbeitsverhältnis auswirkt und der Arbeitnehmer deshalb umgehend feststellen kann, welchen Einfluss die Änderung aus seine Rechte und Pflichten hat. Eine stillschweigende Annahmeerklärung kann daher in der Regel nicht angenommen werden, solange die folgenden Änderungen nicht hervortreten (BAG 24.11.2004).
Da man in solchen Konstellationen und bei mehrjähriger Nichtzahlung jedoch sicherlich wird sagen müssen, dass die Änderungen für den Arbeitnehmer deutlich hervortraten – nämlich eine Nichtzahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld – müsste man nach der Konsequenz der Rechtsprechung davon ausgehen, dass zwar keine negative betriebliche Übung eingetreten ist, gleichwohl aber eine Vertragsänderung mit der Folge des Entfallens eines Anspruchs des Arbeitnehmers nicht fernliegend ist.