10 Jahre nach Inkrafttreten des Antidiskriminierungsgesetzes erscheint es angebracht, eine Bestandsaufnahme vorzunehmen. Dieses ist zwischenzeitlich umfangreich in den Medien und durch Politiker erfolgt. Obwohl das Gesetz in der Rückschau als positiv beurteilt wurde, sind doch einige Probleme aufgetreten, mit denen man wohl nicht gerechnet hat. Im Folgenden sollen die Probleme beleuchtet werden, die bei der Anwendung des Antidiskriminierungsgesetzes im Bereich des Arbeitsrechtes aufgetreten sind in Bezug auf das Alter von Arbeitnehmern.
Das Antidiskriminierungsgesetz war 2006 auf Druck der EU und des Europäischen Gerichtshofes von der damaligen Koalition aus Union und SPD beschlossen worden. Es richtet sich gegen Benachteiligungen am Arbeitsplatz und im Alltagsleben, etwa wegen der Herkunft, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung oder des Alters.
Das Alter von Arbeitnehmern ist allerdings traditionell und althergebracht im Arbeitsrecht ein Anknüpfungspunkt für diverse Schutzregelungen und Abgrenzungstatbestände. Der Gesetzgeber, Tarif-, Betriebs- und Arbeitsvertragsparteien differenzieren nach wie vor in ungezählten Fällen unmittelbar oder mittelbar nach dem Alter des Arbeitnehmers, beispielsweise bei der sozialen Auswahl, bei Kündigungen nach dem Kündigungsschutzgesetz, bei Kündigungsfristen, bei der Höhe des Entgeltes, bei der Dauer des Urlaubs oder sonstiger sozialer Leistungen des Arbeitgebers in Sozialplänen und anderen Betriebsvereinbarungen, bei Altersgrenzen und anderen vertraglichen Regelungen. Dass solche Differenzierungen einer Rechtfertigung bedürfen, die jeweils nur unter Beachtung des unionsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig sind, ist vielen allerdings offenbar immer noch nicht bewusst oder es wird als rechtspolitisch verfehlt angesehen und deshalb ignoriert. Dass beispielweise die öffentliche Hand in ihrer Funktion als Gesetzgeber, der eine unwirksame Regelung dahingehend, dass sich die Kündigungsfristen nach dem Alter des Arbeitnehmers richten, also trotz anerkannter Unionsrechtswidrigkeit, noch immer nicht beseitigt, oder erst nach einer Niederlage beim Europäischen Gerichtshof die Beamtensoldung angepasst hat, oder als Tarifpartner des öffentlichen Dienstes mit altersspezifischem Entgelt- oder Urlaubsstaffeln ein schlechtes Vorbild liefert, ist bezeichnend. Bezeichnend ist auch, dass sich Deutschland mit der Sanktionierung von Verstößen gegen die Benachteiligungsverbote des Unionsrechtes seit je her schwer getan hat. Erst nach deutlicher Rüge seitens des Europäischen Gerichtshofes hat der Gesetzgeber 1994 im Hinblick auf Benachteiligung einiges nachgebessert, wenn auch nur halbherzig. Während andere Mitgliedstaaten, wie beispielsweise Frankreich, die Diskriminierungen von einer staatliche Stelle als Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgen lassen und damit durch ihre Behörden es selbst in der Hand haben, welche Verstöße als hinreichend gewichtig verfolgt werden, hat Deutschland von Beginn an auf ein „private enforcement“ gesetzt. Die Sanktion – Entschädigung – ist im System des bürgerlichen Rechts an sich atypisch. Sie ähnelt dem Schmerzensgeld, welches ebenfalls im allgemeinen Schadensrecht eine besondere Stellung einnimmt und insbesondere bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur ausnahmsweise beansprucht werden kann. Die nach dem Antidiskriminierungsgesetz zu beanspruchende Entschädigung in Höhe von bis zu drei Monatsgehältern selbst für objektiv minderqualifizierte Bewerberinnen und Bewerber ist zudem vergleichsweise hoch. Sie entspricht bei typischen Einstiegsgehältern für Akademiker einer niedrigen fünfstelligen Summe und damit einem höheren Betrag, als man ihn als Schmerzgeld beispielsweise für manche Verletzung erhält, die zu einer vollständigen Erwerbsminderung für die Dauer von fünf Monaten führt. Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten sind deutsche Gerichte bei der Bemessung des Schmerzensgeldes äußerst zurückhaltend, offensichtlich ist dieses nicht anders bei der vergleichbaren Entschädigung nach dem Antidiskriminierungsgesetzes.
Aber trotz des Umstandes, dass deutsche Gerichte offensichtlich Probleme mit dem Entschädigungsanspruch nach dem Antidiskriminierungsgesetz haben, sollte der Arbeitgeber insbesondere im Hinblick auf das Alter bei Stellenanzeigen und Bewerbungsgesprächen Vorsicht walten lassen. Wie die nachfolgend aufgeführten Fälle zeigen, lauern insbesondere in diesem Bereich Fallen:In einem von dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg kürzlich entschiedenen Rechtsstreit hatte eine 52-jährige Arbeitnehmerin russischer Herkunft von dem beklagten Unternehmen Schadenersatz und Entschädigung wegen einer diskriminierenden Nichtberücksichtigung bei einer Stellenbesetzung verlangt.
Das beklagte Unternehmen ist ein erst im Jahre 2008 gegründetes Unternehmen der IT-Branche. Dieses Unternehmen veröffentlichte auf ihrer Internetseite eine Stellenanzeige, in der gesucht wurde ein „Softwareentwickler für Kundenprojekte (m/w)“. Weiter wird ausgeführt: „Was Sie erwartet: In einem jungen, hochmotivierten Team……….arbeiten Sie in Kundenprojekten………“. Weiter wird wiedergegeben in Bezug auf den Betriebsstandort, dass Karlsruhe eine Stadt sei, „die für junge, dynamische Menschen einiges zu bieten hat. ………Junge Familien finden noch attraktive und bezahlbare Wohnungen sowie Kita’s und eine breitgefächert Auswahl an Schulen“. Die Klägerin, die über einen Studienabschluss der Fachrichtung Informatik verfügte, bewarb sich auf diese Stellenanzeige, erhielt allerdings eine Absage des beklagten Unternehmens, die allerdings nicht mehr begründet wurde. Daraufhin bat die Klägerin das beklagte Unternehmen um Auskunft über die Qualifikation des eingestellten Bewerbers, um Vorlage seiner Bewerbungsunterlagen und des Arbeitsvertrages. Zugleich verlangte sie wegen Diskriminierung ihres Alters, ihrer Herkunft und Ihres Geschlechtes eine Entschädigung in Höhe von 10.000,00 €. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat im Hinblick auf das Alter der Klägerin entschieden, dass insoweit keine Diskriminierung ersichtlich ist. In Soweit hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg den Begriff „junges Team“ so ausgelegt, dass man darunter nicht nur verstehen könne, dass das Team aus jungen Arbeitnehmern bestehe, sondern auch dahingehend, dass das Team als solches noch nicht lange besteht. Zur Argumentation hat das Landesarbeitsgericht insoweit herangezogen, dass das Unternehmen erst vor 6 Jahren gegründet und zudem auf einem erst in der jüngeren Vergangenheit entstandenen Geschäftsfeld agieren würde.
In einem weiterem von dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschiedenen Rechtsstreit hatte eine Supermarktkette mit mehr als 9.000 Filialen die Stelle eines „Senior-Consultant/Jurist (w/m)“ und daneben die Stelle eines „Junior-Consultant/Jurist (w/m)“ inseriert. Der Kläger, der das Lebensalter von 60 Jahren bereits überschritten hatte, promovierter Rechtsanwalt, der seit März 1988 unter seiner Wohnadresse eine Rechtsanwaltskanzlei betreibt, bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle als Junior-Consultant, wurde allerdings nicht berücksichtigt. Ungeachtet dessen, dass im vorliegenden streitig war, ob die Bewerbung des Klägers überhaupt ernst zu nehmen war, hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschieden, dass weder der Begriff „Junior-Consultant“ noch der Begriff „Berufseinsteiger“ je für sich noch zusammen eine Altersdiskriminierung indizieren. In Soweit hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, der Begriff „Berufseinsteiger“ sei altersneutral, dieses Kriterium mag auch derjenige erfüllen, der ungewöhnlich lange studiert und erst im vorgerücktem Alter einen Abschluss gemacht habe. Der Begriff „Junior-Consultant“ bezeichne nach der Auffassung des Landesarbeitsgerichtes eine Hierarchieebene im Unternehmen. Es führt insoweit aus, dass das Wort „Junior“ im englischen zwar auch jung bedeute, werde es allerdings im Zusammenhang mit einer betrieblichen Stellung verwendet, bedeute es „von geringem Dienstalter“ bzw. von „niedrigerem Rang“, also jeweils mit geringerer spezifischer beruflicher Erfahrung ohne Bezug zum Alter des betreffenden Mitarbeiters. Auch insoweit wurde eine Entschädigung dem Kläger nicht zugesprochen.
Vorstehende Fälle zeigen, dass die Diskriminierungsverbote des Unionsrechtes einen tiefen Schnitt in das deutsche Arbeitsrecht bewirkt haben. Dies gilt insbesondere für das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters. Die Vorstellung, dass viele Stellenbewerberinnen und -bewerbern einer bestimmten Altersgruppe vorbehalten sind, ist ebenso tief verwurzelt, wie die Überzeugung, dass mit zunehmenden Alter ein höherer sozialer Schutz einherzugehen hat. Gleichwohl wird man im Hinblick auf die Gesetzeslage zukünftig mit dem Merkmal „Alter“ sensibler umgehen müssen.