Die zweite Welle der Pandemie ist derzeit im vollen Gange. Mit dem Ansteigen der Neuinfektionen steigt mancherorts auch der offen demonstrierte Widerstand gegen staatlicherseits angeordnete Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Das wirft Fragen auf, wie sich Arbeitgeber gegenüber corona-müden Mitarbeitern oder gar Corona-Leugnern zu verhalten haben, um zum einen ihre eigenen Arbeitnehmer zu schützen, aber zum anderen auch dafür Sorge zu tragen, dass die eigene unternehmerische Tätigkeit weiterhin möglich bleibt. Denn bei entsprechendem Infektionsgeschehen drohen auch dem Unternehmer Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz oder vorübergehende Quarantäne wichtiger Mitarbeiter, die das eigene wirtschaftliche Handeln erheblich beeinträchtigen können.

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass der Arbeitgeber umfassende Schutzpflichten für die Gesundheit der Arbeitnehmer hat. Dies ergibt sich einmal aus § 618 Abs. 1 BGB, nach dem der Arbeitgeber Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln hat, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahr für Leib und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Zum anderen ist nach § 241 Abs. 2 BGB eine gegenseitige Rücksichtnahmepflicht aus dem Arbeitsverhältnis von beiden Arbeitsvertragsparteien zu beachten. Zusätzlich und darüber hinaus gibt es eine weitere Vielzahl von Vorschriften, die diese genannten Grundgedanken ausgestalten. Und das macht die Angelegenheit sowohl für Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber arbeits- und haftungsrechtlich spannend.

Interessant ist in diesem Zusammenhang § 15 ArbSchG. Denn nach dieser Vorschrift sind die Beschäftigten verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen. Die Beschäftigten haben auch für die Sicherheit und Gesundheit der Personen zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind.

Wenn daher Arbeitnehmer beispielsweise Kollegen absichtlich anniesen oder anhusten, können sich daraus für einen erkrankten Mitarbeiter erhebliche Schadensersatzansprüche gegen den Kollegen ergeben und der handelnde Arbeitnehmer geht durch sein Tun das Risiko einer Abmahnung bis hin zur fristlosen Kündigung ein.

Bei der Erkrankung des Arbeitnehmers besteht auch das Risiko einer Haftung des Arbeitgebers nach § 280 BGB auf Schadensersatz. Diese Haftung bezieht sich auf den sogenannten Personenschaden, den der Arbeitnehmer durch die Infizierung erleidet. Aus Sicht des Arbeitgebers handelt es sich dabei nicht um einen Arbeitsunfall nach § 104 SGB VII – mit der Folge des partiellen Haftungsausschlusses -, da es sich um eine nicht versicherte Allgemeingefahr handelt, die alle Menschen gleich betrifft.

Ein kluger Arbeitgeber wird den handelnden Arbeitnehmer auch schon deshalb sanktionieren, da er die übrigen Arbeitnehmer gesundheitlich schützen muss und ein eigenes rechtliches Interesse daran hat, nicht zu haften. Denn es spricht viel dafür, dass ein Arbeitgeber auch dann in Haftung genommen wird, wenn keine oder keine verhältnismäßigen Sanktionen gegenüber dem handelnden Arbeitnehmer ergriffen werden und es dann bei anderen Arbeitnehmern zu einer Infektion kommt.

Aufgrund der gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB bestehen für den Arbeitgeber selbst dann Sanktionsmöglichkeiten, wenn der Arbeitnehmer beispielsweise als Corona-Leugner außerbetrieblich an einer entsprechenden Demonstration teilnimmt und dadurch berechtigte Interessen des Arbeitgebers und seiner Kollegen verletzt.

Hier kann sich der handelnde Arbeitnehmer auch nicht auf die Meinungsfreiheit berufen, da diese nicht ein Tun oder Unterlassen schützt, dass andere Menschen einem erhöhten Infektionsrisiko aussetzt. Zusätzlich besteht für den bewusst und gewollt an einer Coronaparty teilnehmenden Arbeitnehmer das Risiko, bei eigener Erkrankung nicht nur seinen Arbeitsplatz, sondern auch seinen Lohnanspruch nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB zu verlieren.

Autor:
Matthias Lehmann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht