Die Abwicklung des Zahlungsverkehrs über debitorische Bankkonten erweist sich für die verantwortlichen Geschäftsführer immer wieder als Haftungsfalle. Der Anspruch auf Erstattung verbotswidriger Leistungen nach Insolvenzreife gem. § 64 S. 1 GmbHG hat in den letzten Jahren große Bedeutung erlangt. Mit einem Grundsatzurteil hat der BGH nun die Haftungsrisiken der Geschäftsleiter fallierender Gesellschaften bei der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr deutlich reduziert (Urteil vom 23.06.2015 – II ZR 366/13).
Das Zahlungsverbot des § 64 GmbHG wird zwar nach wie vor sehr weit verstanden, um die Masse im Interesse der Gläubigergemeinschaft umfassend zu schützen. Einbezogen werden nicht nur reine Geldzahlungen, sondern darüber hinaus alle Leistungen, die das Aktivvermögen der Gesellschaft schmälern.
Der BGH hält auch daran fest, dass grundsätzlich jede einzelne verbotswidrige Zahlung der Masse ohne Rücksicht auf den Nachweis eines Schadens zu erstatten ist. Er sieht aber durchaus die Gefahr von Haftungsexzessen und bemüht sich mit seiner aktuellen Entscheidung um eine sachgerechte Begrenzung der Risiken des bargeldlosen Zahlungsverkehrs für die Geschäftsführer.
Oftmals hat die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindliche Gesellschaft ihre Forderungen zur Sicherung an die Bank abgetreten, die im Gegenzug die Überziehung des Kontos erlaubt. Daher bedeutet es für die organschaftlichen Vertreter eine deutliche Erleichterung, dass der BGH nunmehr Leistungen auf solche Forderungen im Grundsatz aus der Massesicherungspflicht des § 64 S. 1 GmbHG herausnimmt.
Wird die Forderung vor Insolvenzeröffnung erfüllt und dadurch der Debetsaldo reduziert, so berührt dies die Befriedigungsaussichten der Gesamtheit der Gläubiger daher nicht. Das gilt im Übrigen in gleicher Weise, wenn die Forderung nicht wie im Fall des BGH an die kontoführende Bank, sondern an einen Dritten (etwa einen Lieferanten im Rahmen eines verlängerten Eigentumsvorbehalts) abgetreten wurde, denn die Zession löst auch hier die Forderung aus dem haftenden Aktivvermögen der Gesellschaft mit der Folge, dass sie im Insolvenzfall nicht mehr zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung steht.
Der Geschäftsführer wird allerdings nicht begünstigt, wenn er die Sicherungszession schon vor Eintritt der Insolvenzreife vorgenommen hat. Hier würde es an sich nahe liegen, die Abtretung selbst als Zahlung iSd § 64 S. 1 GmbHG zu qualifizieren, denn schon sie verkürzt die Haftungsmasse. Offenkundig will der BGH aber diesen Schluss nicht ziehen. Vielmehr soll die Haftung erst einsetzen, wenn die Forderung später dann zu Gunsten des Zessionars eingezogen wird. Gleichgestellt wird der Fall, dass die Forderung zwar schon vor der Krise abgetreten wurde, aber erst nach Insolvenzreife entstanden ist oder werthaltig gemacht wurde (insbesondere durch Erfüllungshandlungen seitens der Schuldnergesellschaft).
Eine haftungsbegründende Zahlung soll aber jeweils ausscheiden, wenn durch die Einziehung der Forderung und die damit einhergehende Verringerung der Darlehensschuld eine andere sicherungszedierte werthaltige Forderung frei wird.
Wenn der Insolvenzverwalter die Abtretung erfolgreich anficht, so mindert der nach § 143 InsO vom Anfechtungsgegner erlangte Betrag die Haftung des Geschäftsführers. Gleiches gilt, wenn Leistungen auf das debitorische Konto erfolgreich angefochten werden. Die durch die Zahlungen bewirkte Masseschmälerung wird durch den Empfänger des anfechtbar Weggegebenen wieder rückgängig gemacht. Wenn die Gesellschaft dann noch zusätzlich von dem der für die Zahlung verantwortlichen Geschäftsführer Ersatz erhielte, käme es zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.
Dagegen dürfen Erlöse aus der Anfechtung der Leistungen von einem debitorischen Konto an Gläubiger nicht anspruchsmindernd berücksichtigt werden. Denn solche Leistungen sind grundsätzlich nicht geeignet, die Haftung nach § 64 S. 1 GmbHG auszulösen, da es sich nicht um Zahlungen im Sinne der Vorschrift handelt. Daher kann mit der Anfechtung auch keine durch Zahlungen bewirkte Masseschmälerung ausgeglichen werden. Die Anrechnung des Anfechtungserlöses setzt vielmehr voraus, dass sich die Anfechtung auf genau denselben Vorgang bezieht, durch den auch das Zahlungsverbot verletzt wurde.
Außer durch Anfechtung kann die Haftung des Geschäftsleiters auch entfallen, wenn die durch ihn bewirkte Masseschmälerung in anderer Weise ausgeglichen wird. Für die Anrechnung ist es nach Auffassung des BGH nicht erforderlich, dass sich der zum Ausgleich erhaltene Gegenstand noch bei Eröffnung des Verfahrens in der Masse befindet. Zudem richtet der BGH den Blick darauf, wozu die einzelnen Gutschriften auf dem debitorischen Konto verwendet werden. Weder die Möglichkeit, auf Grund des Zahlungseingangs einen von der Bank zur Verfügung gestellten Kreditrahmen wieder ausschöpfen zu können, noch der Abruf des Kreditbetrags genügen jedoch als Kompensation. Denn mit der Darlehensvaluta korrespondiert die Rückzahlungsverpflichtung gegenüber der Bank, so dass es im wirtschaftlichen Ergebnis gar nicht zu einem ausgleichsfähigen Massezufluss kommt.
Entlastet wird der Geschäftsführer nach Ansicht des BGH aber, wenn er die freiwerdenden Mittel zur Finanzierung eines Geschäfts verwendet, durch das ein Gegenwert in die Masse gelangt, wie etwa beim Kauf von Waren. Gleichgestellt werden sollten solche Aufwendungen, die nach § 64 S. 2 GmbHG privilegiert sind, weil sie der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs oder der Erfüllung höherrangiger Pflichten dienen. Der BGH fordert außerdem, dass der Massezufluss noch in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Zahlungseingang auf dem debitorischen Konto steht.