Die aufkommenden Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Mindestlohn sind zahlreich und nicht erst seit Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns durch das Mindestlohngesetz aufgekommen. An einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung hinsichtlich des gesetzlichen Mindestlohns fehlt es bislang noch weitgehend.

Es existiert aber Rechtsprechung im Zusammenhang mit tarifvertraglichen Mindestlöhnen und es stellt sich die Frage, ob und in wie weit diese Rechtsprechung nicht auch auf den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz Anwendung findet, ohne dass das BAG direkt zum gesetzlichen Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz urteilt.

§ 1 des Mindestlohngesetzes legt einen Mindestlohn in Höhe von 8,50 EUR pro Arbeitsstunde fest. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich nicht, dass der Mindestlohn auch für Zeiten gezahlt werden muss, in denen tatsächlich keine Arbeitszeit geleistet wird.

Es ist aber zu differenzieren einerseits zwischen Entgelt während des Urlaubs, deren Höhe sich grundsätzlich orientiert an § 11 des Bundesurlaubsgesetzes und die sich daher an dem Durchschnitt der gezahlten Vergütung der letzten 13 Wochen vor Urlaubsantritt richtet und andererseits dem Entgelt, das bei berechtigter Abwesenheit wegen Feiertagen oder bei Krankheit während des Entgeltfortzahlungszeitraums zu zahlen ist. Über das in § 11 des Bundesurlaubsgesetzes geregelte Referenzprinzip wirkt sich auch der gesetzliche Mindestlohn auf die Höhe des Urlaubsgeldes und im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ggf. auch auf die Höhe eines zu zahlenden Urlaubsabgeltungsanspruchs aus, jedenfalls mittelbar.

Das Mindestlohngesetz gilt aber ansonsten grundsätzlich nicht für Zeiten der Nichtarbeit.

Jedenfalls §§ 13 und 14 ff. des Mindestlohngesetzes, die der Durchsetzung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs dienen, finden keine Anwendung auf Zeiten der Nichtarbeit wegen Fehlzeiten aufgrund Krankheit während des Entgeltfortzahlungszeitraums und/ oder auf Abwesenheit an gesetzlichen Feiertagen.

Das BAG hat nun allerdings in einem Urteil vom 13. Mai 2015, Aktenzeichen 10 AZR 191/14 einen Fall entschieden, der auch im Zusammenhang mit dem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz Bedeutung erlangen könnte. Diese Entscheidung wirft zumindest die berechtigte Frage auf, ob deren Grundsätze nicht auch für den gesetzlichen Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz Anwendung finden müssen.

Damit würde sich letzten Endes eine Entscheidung des BAG zu einem Fall, der sich vor Einführung des gesetzlichen Mindestlohns abspielte, auf eben diesen auswirken und den Grundsatz des Mindestlohngesetzes aushebeln, dass der Mindestlohn grundsätzlich nur für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden gezahlt werden muss.

Bei dem vom BAG kürzlich entschiedenen Fall ging es um eine pädagogische Mitarbeiterin, die aufgrund MindestlohnVO unter einen gültigen Mindestlohntarifvertrag fiel. Der Arbeitgeber hatte den Mindestlohn zwar auch während ihrer Abwesenheit aufgrund Urlaubs unter Berücksichtigung des in § 11 Bundesurlaubsgesetz enthaltenen Referenzprinzips gezahlt, jedoch nicht für Abwesenheit an Feiertagen und Zeiten der Arbeitsunfähigkeit innerhalb des Entgeltfortzahlungszeitraums. Der Tarifvertrag enthielt insoweit keine Regelung.

Das Arbeitsverhältnis wurde beendet. Die Parteien stritten sodann unter anderem um Nachzahlung des Mindestlohns für Feiertage und Krankheitszeiten innerhalb des Entgeltfortzahlungszeitraums.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht gaben der Klage der Arbeitnehmerin statt, die Revision des beklagten Arbeitgebers vor dem Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg.

Das BAG stellte in seinem Urteil heraus, dass nach den Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes der Arbeitgeber für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags oder wegen Arbeitsunfähigkeit ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen hat, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Hierbei handelt es sich um das sog. Entgeltausfallprinzip. Das BAG stellte unmissverständlich klar, dass diese Regelungen auch dann Anwendung finden, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach einer Mindestlohnregelung richtet und zwar auch dann, wenn diese keine konkreten Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung und zum Urlaubsentgelt enthalten.

Dem Wortlaut der Entscheidung nach müsste diese Rechtsprechung auch auf den gesetzlichen Mindestlohn Anwendung finden. Jedenfalls hat das BAG seine Entscheidung eindeutig nicht auf einen tarifvertraglichen Mindestlohn beschränkt.

Die Divergenz zwischen Gesetz und Rechtsprechung könnte zukünftig in arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen gegenständlich werden. Genauso wie viele andere Fragen, die sich bei der praktischen Anwendung des Mindestlohngesetzes ergeben werden.

Wir stehen auch insoweit mit Rat und Tat an Ihrer Seite.