Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Fall "Klarenberg" und die Rechtsprechung des BAG zum Betriebsteil

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts zum Betriebsübergang füllt bekanntlich Bibliotheken. Auf wenigen arbeitsrechtlichen Gebieten wird derart erbittert gekämpft wie bei der Frage, ob ein Betriebsübergang oder ein Betriebsteilübergang vorliegt oder nicht.

Die Beantwortung dieser Frage ist von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für Erwerber bei der Durchführung von M & A`s aber auch bei Erwerb aus Insolvenzverfahren.

Dem Fall "Klarenberg" lag folgender Sachverhalt zugrunde: Herr Klarenberg war Leiter einer Abteilung eines Unternehmens, das auf dem Gebiet der industriellen Automatisierung tätig ist. Die Abteilung bestand aus drei Untergruppen, für eine Untergruppe hatte Herr Klarenberg ebenfalls die Leitung inne. Die frühere Arbeitgeberin von Herrn Klarenberg veräußerte im Wege eines Asset Deals Produktlinien und Technologien an eine Erwerber-Gesellschaft und deren Tochter. Übernommen wurde von der Erwerberin jedoch nicht Herr Klarenberg, sondern der stellvertretende Abteilungsleiter seiner Abteilung, der zudem auch Leiter einer anderen Untergruppe war, sowie drei Ingenieure der von Herrn Klarenberg geleiteten Untergruppe. Diese hatten neben ihren eigenen Tätigkeiten für diese Untergruppe weitere Serviceaufgaben für die übergeordnete Abteilung erbracht. Neben Herrn Klarenberg wurden 9 Arbeitnehmer der Abteilung ebenfalls nicht übernommen.

Es stellte sich nun die Frage, ob ein Betrieb oder Betriebsteil im Sinne des § 613a BGB sowie der Richtlinie 2001/23/EG übernommen worden waren und daher Herr Klarenberg ein entsprechender Anspruch gegen die Erwerberin zustand.

Der EuGH (Slg.2009, I – 819) beantworte die Vorlagefrage des LAG Düsseldorf, ob ein Betriebsteilübergang nur vorliege, wenn der Betriebsteil bei dem Erwerber als organisatorisch selbständiger Betriebsteil fortgeführt werde, damit, dass ein Betriebsteilübergang auch dann vorliegen könne, wenn der übertragende Betriebsteil seine organisatorische Selbständigkeit nicht bewahre, sondern nur die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten werde und sie es dem Erwerber erlaube, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen.

Auf diese Entscheidung hin wurde in der Literatur darüber diskutiert, ob danach für ein Betriebsteilübergang erforderlich ist, dass übertragende Betriebsmittel beim Erwerber weiterhin in der bisherigen organisatorischen Beziehung zueinander eingesetzt werden müssen, um einen gleichen oder gleichartigen wirtschaftlichen Zweck zu verfolgen.

Im Ergebnis ist dies zu bejahen. Nach der bisherigen Rechtsprechung setzt die Übernahme eines Betriebs- oder Betriebsteils im Sinne des § 613a BGB voraus, dass eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit übernommen wird. Eine solche wirtschaftliche Einheit setzt eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck voraus, die hinreichend strukturiert und selbständig ist. Es ist daher im Ergebnis entscheidend, ob vom Veräußerer übertragene Betriebsmittel bereits bei ihm eine einsatzbereite Gesamtheit darstellten oder erst unter Inanspruchnahme weiterer wichtiger Betriebsmittel oder anderer Unternehmensteile die für die frühere wirtschaftliche Tätigkeit charakteristische Leistung erbracht werden kann.

Das Bundesarbeitsgericht folgerte aus dem Fall "Klarenberg", dass der Betriebsteil, der beim Veräußerer "angekommen" ist mit demjenigen zu vergleichen ist, der zuvor beim Veräußerer bestanden habe. Dabei ist immer zu fragen, wie diese Betriebsmittel in die Betriebsorganisation beim Veräußerer eingebunden waren und ob sie für die Betriebseinheit identitätsprägend waren.

Dies führte zu konkreten Umsetzungen, die sich in folgenden Urteilen konkretisierten:

1.

Der Mitarbeiter einer kaufmännischen Abteilung, der früher für Abwasserentsorgung und Trinkwasserversorgung gleichermaßen zuständig war, machte einen Betriebsteilübergang auf die Erwerberin geltend, die jedoch nur einen technischen Betriebsteil bezüglich der Abwasserentsorgung übernommen hatte.

Das BAG entschied, dass kein Teilbetriebsübergang vorliegt, da sich die frühere Tätigkeit in Abwasserentsorgung und Trinkwasserversorgung untergliederte, nun jedoch lediglich die Abwasserentsorgung durch den Erwerber bearbeitet wurde.

2.

In einem Handwerkerbetrieb wurden gewerbliche Aufträge, aber auch Privatkundengeschäft, bearbeitet. Der Kläger hatte vorgetragen, er sei überwiegend für den Bereich gewerblicher Aufträge tätig gewesen. Für diesen Bereich seien eigenständige Vorgesetzte zuständig gewesen, in diesem Bereich sei auch über eigenes Werkzeug verfügt und eigene Fahrzeuge vorhanden gewesen. Das BAG lehnte mangels organisatorischer Selbständigkeit einen übergangsfähigen Betriebsteil im Sinne des § 613a BGB ab, da die Existenz von vorgesetzten Positionen nicht jeweils zur Annahme ggf. eigenständiger Betriebsteile führe, solange nicht weitere Anhaltspunkte für eine gewisse Selbständigkeit hinzukämen.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass für die Annahme eines Betriebsteils nicht ausreichend ist, dass ein Betriebsteil dieses Betriebsteils übergeht, sondern es vielmehr erforderlich ist, dass die Arbeitsorganisation insgesamt vom Erwerber auf den Veräußerer übergeht. Denn der Betriebsteil eines Betriebsteils ist keine organisatorische Einheit, die über die erforderliche Selbständigkeit verfügt.

Im Ergebnis kann daher festgestellt werden, dass für das Vorliegen eines Betriebsteilübergangs nicht allein auf die bisherigen Einheiten des Veräußerers abzustellen ist, sondern zu fragen ist, welche Einheiten beim Erwerber "angekommen" sind und ob dann noch entsprechende organisatorisch selbständige Einheiten angekommen sind.

Ein Betriebsteilübergang ist danach bereits zu verneinen, wenn entweder die übertragenen Betriebsmittel für die Verfolgung des bisherigen arbeitstechnischen Zwecks nicht ausreichen oder aber diese Betriebsmittel in der bisherigen Organisation beim Veräußerer auch anderen Betriebsteil organisatorischen Einheiten dienten.

Diese Anforderungen an einen Betriebsteilübergang stellen somit bei genauerem Hinsehen erheblich höhere Hürden für den klagenden Arbeitnehmer dar, als dies allgemein immer wieder behauptet wird.
 
Bei Fragen zu diesem Themenkomplex wenden Sie sich bitte an den Autor Rechtsanwalt Matthias Lehmann. Rechtsanwalt Lehmann ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Insolvenzrecht mit Sitz in Minden.