Die Corona-Pandemie hält die Bundesrepublik seit mehr als einem halben Jahr in Atem. Im Zusammenhang mit der Pandemie stellen sich auch zahlreiche rechtliche Fragen. Für viele Unternehmerinnen und Unternehmer aus dem Gastgewerbe wird nun eine Versicherung bedeutsam, die bislang eher wenig Aufmerksamkeit genoss. Mit einer sogenannten Betriebsschließungsversicherung oder Betriebsunterbrechungsversicherung will sich der Versicherungsnehmer gegen Schäden absichern, die unter anderem auch durch behördlich angeordnete Schließungen seiner Betriebe entstehen. Doch auf die erste Anfrage bei dem Versicherer folgt häufig Ernüchterung. Nicht wenige Versicherer sehen sich nämlich bei behördlich angeordneten Betriebsschließungen anlässlich der aktuellen Corona-Pandemie nicht einstandspflichtig. Jüngst machte ein Urteil des Münchener Landgerichts Schlagzeilen, in dem der Versicherer eines klagenden Gastwirtes verurteilt wurde, diesem die Kosten der coronabedingten Betriebsschließung zu erstatten. Insgesamt wurde dem klagenden Gastwirt eine Summe von 1,014 Millionen € zugesprochen (Urteil vom 01.10.2020 – 12 O 5895/20). Diese Nachricht weckt nun verständlicherweise die Hoffnung vieler Gastwirte, die sich bislang erfolglos mit ihrem Versicherer auseinandergesetzt haben.

Tatsächlich gibt es viele unterschiedliche Betriebsschließungsversicherungen. Eine einheitliche Antwort auf die Frage, ob ein Versicherer im konkreten Einzelfall zur Zahlung bei einer coronabedingten Betriebsschließung verpflichtet ist, kann es nicht geben. Am Markt werden schlicht ganz unterschiedliche allgemeine Versicherungsbedingungen verwendet. All diese Versicherungsverträge haben gemein, dass das versicherte Risiko zunächst möglichst allgemein umschrieben wird. Ob auch eine coronabedingte Betriebsschließung von diesem Risiko erfasst ist, entscheidet sich dann in den anschließenden Klauseln. Hier gibt es ganz unterschiedliche Spielarten, die auch unterschiedlich rechtlich zu behandeln sind. So gibt es Klauseln, in denen der Kreis der erfassten Krankheiten und Krankheitserreger abschließend enumerativ aufgezählt wird. Es fehlt jede Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz. Werden in dieser Aufzählung weder COVID-19 als Krankheit noch SARS-CoV-2 als Krankheitserreger genannt, stehen die Chancen des Versicherers nicht schlecht. Verweist der Versicherer hingegen pauschal auf die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes, insbesondere auf die dort als meldepflichtig ausgewiesenen Krankheiten und Krankheitserreger nach § 6 Infektionsschutzgesetz, sieht die Rechtslage schon ganz anders aus. Denn gerade § 6 Abs. 1 Nr. 5 und § 7 Abs. 2 Infektionsschutzgesetz erfassen auch nicht namentlich genannte bedrohliche übertragbare Krankheiten. Besonders schwierig werden dann hingegen diejenigen Fälle, in denen die entsprechende Klausel zunächst bestimmte Krankheiten und Krankheitserreger aufzählt und zugleich in irgendeiner Form auf das Infektionsschutzgesetz oder bestimmte Vorschriften aus diesem verweist. Hier kommt es stets auf den konkreten Einzelfall an. Auch die Gerichte scheinen hier noch keine einheitliche Linie zu vertreten. Es gibt hier für die Versicherungsnehmer negative (vgl. etwa den Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 15.07.2020 – 20 W 21 / 20) wie positive Entscheidungen (vgl. etwa das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 29.04.2020 – 11 O 66 / 20). Es handelt sich dabei stets um Entscheidungen im konkreten Einzelfall, die für anders formulierte Klauseln höchstens indizielle Bedeutung haben. Auch der Zeitpunkt, an dem eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen wurde, kann bei der Beantwortung dieser Rechtsfrage von Bedeutung sein. Denn mittlerweile weist das Infektionsschutzgesetz die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) ausdrücklich als meldepflichtige Erkrankung aus.

Über die weitere Entwicklung werden wir berichten. Sollten auch Sie über eine Betriebsschließungsversicherung verfügen und sich bislang erfolglos mit Ihrem Versicherer auseinandergesetzt haben, so werden wir gerne die Erfolgsaussichten einer Inanspruchnahme des Versicherers für Sie prüfen und Ihre rechtlichen Interessen durchsetzen. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Sie ein Vergleichsangebot von Ihrem Versicherer erhalten. Hier versucht der Versicherer möglicherweise, sich einer berechtigten Forderung günstig zu entledigen. Es sind auch Fälle bekannt, in denen Versicherer auf Beschlüsse und Urteile verweisen, um die Attraktivität ihres Vergleichsangebotes zu untermauern. Ob diese Beschlüsse und Urteile dann aber tatsächlich auf den vorliegenden Fall übertragbar sind und für den Versicherer sprechen, ist eine ganz andere Frage.

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Julius Gartemann

Autor:
Julius Gartemann
Rechtsanwalt