Inzwischen fegt die zweite Welle der Pandemie über das Land hinweg und hinterlässt tiefe Spuren in Gesellschaft und Wirtschaft. Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Pandemie aufgeworfen, die nicht profan sind. Vor allem stellt sich die Frage, in welchen Konstellationen der Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist und wann nach § 56 IfSG (Infektionsschutzgesetz) bei durch die Behörde angeordneter Quarantäne Zahlungen an den Arbeitnehmer von dort übernommen werden müssen.

Bevor auf die einzelnen Konstellationen eingegangen werden kann, muss zumindest kurz darauf eingegangen werden, welche Rechtsvorschriften bei der Frage der Entgeltfortzahlung in Betracht kommen. Denn gerade das Verhältnis dieser Rechtsvorschriften untereinander wirft nicht unerhebliche Probleme auf.

Zu nennen sind hier vor allem § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz, die §§ 615 S. 3 und 616 BGB sowie der bereits genannte § 56 IfSG.

Nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz, den jeder Arbeitgeber gut kennt, ist aufgrund gesetzlicher Anordnung ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von bis zu sechs Wochen normiert. Wenn nun ein Arbeitnehmer erkrankt und Covid 19 bei ihm festgestellt wird, kann er seine Arbeitsleistung aus krankheitsbedingten Gründen nicht erbringen. Dann stellt sich die Frage, wie § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz zu § 56 IfSG steht. Denn aus Sicht des Arbeitgebers würde dieser sich natürlich auf das behördliche Arbeitsverbot nach § 56 IfSG und die in Absatz 1 S. 1 und Abs. 2 dieser Vorschrift festgeschriebene Entschädigung berufen wollen, auch wenn er diese zunächst vorstrecken muss.

Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass die Behörden in diesem Zusammenhang entweder auf § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz oder auf § 616 BGB verweisen. Deshalb ist zu klären, welche Vorschrift nun in welcher Fallkonstellation den Vorrang hat.

1. Der Arbeitnehmer ist arbeitsunfähig und in Quarantäne: 

Hier gibt es Stimmen in der Literatur, die einen Vorrang des Infektionsschutzgesetzes mit dem Argument annehmen, es liege hier in der öffentlich-rechtlichen Zwangswirkung der Anordnung der Quarantäne der vorrangige Hinderungsgrund für die Erbringung der Arbeitsleistung vor, weshalb die Entschädigung nach § 56 IfSG vorgehe. 

Die überwiegende Meinung weist jedoch gerade wegen der gesetzlich normierten Entgeltfortzahlung im § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz diesem mit verschiedenen Argumenten den Vorrang zu. Ein Argument ist, dass tatbestandlich in § 56 IfSG ein Verdienstausfall vorausgesetzt wird, der wegen des Eingreifens von § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz gerade nicht vorliege. Zudem seien im Infektionsschutzgesetz Kranke gerade nicht aufgeführt, was sich aus der Gesetzesbegründung ergebe. Damit werden Kranke von § 56 IfSG bewusst nicht erfasst. Darüber hinaus wird argumentiert, dass Zweck des Infektionsschutzgesetzes gerade nicht die finanzielle Entlastung des Arbeitgebers sein soll und diesem das unternehmerische Risiko zugewiesen werde. Fazit: Der Arbeitgeber wird keinen Ersatz bei der Behörde durchsetzen können.

2. Der Arbeitnehmer ist arbeitsfähig, aber in Quarantäne:

In dieser Konstellation scheidet § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz aus, da der Arbeitnehmer nicht krank ist. Denn es handelt sich um eine Vorsichtsmaßnahme der Behörde. Hier stellt sich nur die Frage des Verhältnisses von § 616 BGB zu § 56 IfSG. Sinngemäß entfallen Ansprüche auf die Vergütung des Arbeitnehmers nach § 616 BGB nicht, wenn dieser für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.

Man wird hier zwar noch sagen können, dass die Rücksichtnahme gegenüber der Gesundheit der Mitarbeiter und Kollegen einen in seiner Person liegenden Grund darstellt, weshalb er vorsorglich zu Hause bleiben muss, bis eine Klärung herbeigeführt ist. Problematisch ist aber das Erfordernis der „nicht erheblichen Zeit“, wenn es, wie meistens in diesem Zusammenhang, um 14 Tage geht. Höchstrichterliche Rechtsprechung und eine genaue Abgrenzung hierzu gibt es nicht. Es sind Tendenzen zu erkennen, dass in dieser Fallkonstellation eine Abwälzung auf den Arbeitgeber über § 616 BGB bei 14 Tagen wohl zu lange ist, bei darunterliegenden Zeiten jedoch noch halten dürfte. Fazit: Auch hier ist der Arbeitgeber überwiegend zweiter Sieger gegenüber der Behörde.

Zwischenbemerkung: Da § 616 BGB im Arbeitsvertrag abbedungen werden kann, ist hier bei zukünftigen Vertragsgestaltungen durchaus möglicherweise ein Augenmerk zu richten.

3. Komplette Betriebseinstellung wegen der Pandemie:

Sollten Betriebsschließungen erfolgen, stellt sich grundsätzlich die Frage, ob ein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers aus § 615 S. 3 i. V. m. § 615 S. 1 und 2 BGB gegen den Arbeitgeber gegeben ist. Das wäre dann der Fall, wenn „der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt“, wie es in den genannten Vorschriften heißt.

Nach der bisher zu verfolgenden Rechtsprechung ist die Pandemie selbst nicht mit einer Naturkatastrophe gleichzusetzen, zumal die Betriebsstörung natürlich nicht durch diese selbst, sondern erst durch die behördliche Verfügung eintritt. Gesetzgeber und Rechtsprechung weisen nach wie vor, bereits seit der Rechtsprechung des Reichsgerichtshofes letztendlich das Betriebsrisiko dem Arbeitgeber und nicht dem Arbeitnehmer zu. Diese Wertungstendenz kann man zum Beispiel auch daran erkennen, dass selbst bei einer erforderlichen sofortigen Betriebsstilllegung wegen Zerstörung durch Explosion, Insolvenz oder sonstigen, sich unmittelbar auswirkenden Ereignissen keine fristlosen Kündigungen erfolgen dürfen, sondern allenfalls betriebsbedingte Kündigungen zulässig sind, die mit Kündigungsfristen von bis zu sieben Monaten zum Monatsende, im eröffneten Insolvenzverfahren wegen § 113 InsO zwar etwas kürzer, den Arbeitgeber dennoch nachhaltig belasten. Arbeitsrecht bleibt damit auch in der Krise Arbeitnehmerrecht.

Für Beratungen von Arbeitnehmern, aber auch Arbeitgebern, nicht zuletzt für notwendig werdende Anpassungen von Arbeitsverträgen steht der Unterzeichner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht und Insolvenzrecht Matthias Lehmann, oder die weiteren Fachanwälte für Arbeitsrecht aus der Kanzlei Handschuh + Lehmann, gerne zur Verfügung.

Autor:
Matthias Lehmann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht