Das OLG Schleswig hat in einer gerade veröffentlichten Entscheidung die Pflichten des Steuerberaters bei einer Insolvenzgefahr einer Mandantin (GmbH) weiter konkretisiert.
Hiernach braucht ein Steuerberater, der mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragt ist, einen Vermögensstatus im Sinne einer Überschuldungsbilanz nur auf gesonderten Auftrag erstellen. Kraft seines überlegenen Wissens trifft ihn allerdings die Nebenpflicht, seine Mandantin (GmbH) auf eine drohende Insolvenz und damit erforderliche Prüfung hinzuweisen.
Dieses ändert aber nichts an der Erforderlichkeit, bei fehlender positive Fortführungsprognose den Jahresabschluss gegebenenfalls nach Liquidationswerten zu erstellen.
Seiner Hinweispflicht genügt der Steuerberater, wenn er unmissverständlich die – zunächst bilanzielle – Überschuldung feststellt und seine Mandantin (GmbH) auf die gesetzliche Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrags hinweist.
Wenn sich die Mandantin trotzdem zur Fortführung ihres Unternehmens entscheidet, ist der Steuerberater zu weiteren Maßnahmen nicht verpflichtet, er braucht die Mandantin nicht an deren Tätigkeit zu hindern oder seine Tätigkeit für die Mandantin einzustellen.
Ausgangspunkt dieser Entscheidung des OLG Schleswig war ein von einem Insolvenzverwalter geltend gemachte Anfechtungsanspruch gemäß § 133 InsO, wobei sich der Insolvenzverwalter darauf berufen hatte, der Steuerberater der insolventen GmbH habe deren Insolvenzreife erkannt und der Steuerberater habe trotzdem die Jahresabschlüsse für die GmbH gefertigt und die Honorare vereinnahmt.
Im Anschluss an die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestätigt das OLG Schleswig, dass den Steuerberater bei einer für ihn erkennbaren Insolvenzgefahr eine Hinweis- und Warnpflicht gegenüber der Mandantin treffe, hierbei genüge ein lediglich abstrakter Hinweis auf die Prüfungspflichten eines Geschäftsführers nicht, sondern es sei erforderlich, dass der Steuerberater die maßgeblichen Umstände der Insolvenzgefahr gegenüber seiner Mandantin im Einzelnen bezeichnet und ihn konkret darauf hinweist, dass diese Umstände Anlass zu einer Prüfung einer möglichen Insolvenzreife gegeben.
Nicht verpflichtet sei der Steuerberater aber, von sich aus eine Überschuldungsprüfung vorzunehmen, er brauche auch nicht von sich aus kontinuierlich die Zahlungsfähigkeit zu überprüfen. Dieses seien originäre Aufgaben des Geschäftsführers.
Dessen ungeachtet könnte der bilanzerstellende Steuerberater auch bei der Erstellung der Handelsbilanz nicht ungeprüft Fortführungswerte zugrunde liegen. Denn wenn ernsthafte Zweifel an der Einsetzbarkeit von Fortführungswerten bestehen würden, sei eine weiterhin erfolgende Bilanzierung nach Fortführungswerten mangelhaft.
Bei dem der vorliegenden Entscheidung des OLG Schleswig zugrunde liegenden Sachverhalt handelt es sich um die klassische Situation eines Steuerberaters einer in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen GmbH. Damit umzugehen ist für Steuerberater schon schwierig genug.
Noch schwieriger umzugehen ist mit dieser Ausgangslage in der gegenwärtigen Situation, in der die Insolvenzantragspflicht der Geschäftsleiter juristischer Personen durch § 1 COVID-19 Insolvenzaussetzungsgesetz zeitweise außer Kraft gesetzt ist. Wie der Berater im Hinblick darauf agieren soll, dass die Mandantin (GmbH) nach Fristablauf doch wieder antragspflichtig wird, ist ungeklärt. Wie soll der Steuerberater reagieren, wenn in den nächsten Monaten bis Ende September 2020 oder Ende März 2021 die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt ist und Organe das Vermögen der Gesellschaft dank Aussetzung der Zahlungsverbote bis auf Null reduzieren können?
Müssen Steuerberater überhaupt noch auf die-anscheinend weniger wichtige Antragspflicht-hinweisen, oder können Sie die Organe kommentarlos weiterreagieren lassen?
Weil die Insolvenzantragspflicht nur für einen bestimmten Zeitraum ausgesetzt worden ist, sollten Steuerberater aus Gründen der Rechtssicherheit weiterhin ihrer Hinweispflicht vollständig und unmissverständlich nachkommen. Ansonsten begibt sich der Steuerberater auch aufgrund der durch das Insolvenzaussetzungsgesetz unklaren Rechtssituation möglicherweise in eine Haftungssituation.
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Autor:
Olaf Handschuh
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht