Zum Jahresende wird hinsichtlich vieler Punkte umgangssprachlich Bilanz gezogen. Aus aktuellem Anlass ist es auch geboten, sich noch einmal mit der aktuellen Rechtsprechung zum Ansammeln von Urlaubsansprüchen vertraut zu machen.
In vielen Arbeitsverhältnissen finden Tarifverträge keine Anwendung und es gibt auch keine genaue vertragliche Regelung zu einem möglichen Verfall von Urlaubansprüchen. In solchen Fällen ist zunächst noch einmal darauf hinzuweisen, dass nach Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes und den vom Bundesarbeitsgericht daraus entwickelten Grundsätzen der in einem Kalenderjahr erworbene Urlaubsanspruch erst nach 15 Monaten verfallen kann. Das bedeutet also, dass Resturlaubsansprüche aus dem Jahre 2016 mit Ablauf des 31.03.2018 verfallen.
Bisher sind diese Fälle immer in Verbindung mit langen Krankheitszeiten aufgetaucht. Nunmehr hat der europäische Gerichtshof allerdings eine neue Fallgestaltung „geschaffen“. Das Gericht hat in seinem Urteil vom 29.11.2017 (Az.: C-214/16) festgestellt, dass nicht in Anspruch genommener Jahresurlaub unbegrenzt übertragen und angesammelt werden kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht in die Lage versetzt hat, den Urlaubsanspruch in Form von Freizeit auszuüben. Die bisher bekannte Begrenzung des Übertragungszeitraums, die oben dargestellt worden ist, soll in diesen Fällen nicht greifen.
Eine solche Konstellation sieht das Gericht in den Fällen, in denen die Inanspruchnahme von Urlaub für den Arbeitnehmer finanzielle Einbußen bedeuten kann. Betroffen sind hier insbesondere solche Arbeitsverhältnisse, in denen Provisionen fließen. Wenn im Urlaub keine Provision erwirtschaftet werden können, sieht das Gericht hier einen Grund dafür, Urlaub nicht in Anspruch zu nehmen.
Diese Entscheidung hat insbesondere für Arbeitgeber weitreichende Konsequenzen. Hinzuweisen ist aber auch darauf, dass insbesondere die Konstellationen, in denen Provisionen gezahlt werden, nicht nur unter diesem Blickwinkel problematisch werden können, sondern dass auch die Sozialversicherungen mittlerweile diese Konstellationen kritisch beäugen und ggf. Beitragsnachforderungen erheben, wenn möglich erscheint, dass im Rahmen der Urlaubsabwesenheit geringere bzw. keine Provisionen verdient worden sind. Arbeits- und Auftragsverhältnisse in Verbindung mit Provisionszahlungen erfordern also besondere Vorsicht schon im Rahmen der vertraglichen Gestaltung.
Autor:
Bodo Winkler
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht