von RA Christopher Hohensee
In seinem Urteil – III ZR 59/24 – vom 10.07.2025 befasste sich der Bundesgerichtshof erneut mit einem Klassiker des Zivilrechts – der Zulässigkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).
Gegenstand des Verfahrens waren die AGB der Beklagten, bei der es sich um ein Telekommunikationsunternehmen handelt.
Diese versandte im Jahr 2023 per Postwurfsendung an Verbraucher Schreiben, in denen sie für einen DSL-Anschluss warb. Von diesem Schreiben umfasst waren drei Seiten: ein Anschreiben, ein Antragsformular sowie eine Widerrufsbelehrung.
Enthalten war unter anderem folgender Text: „Sofern Sie sich für unser Angebot entscheiden möchten, senden Sie uns bitte das beigefügte Formular innerhalb der nächsten 14 Tage zurück. Im Anschluss erhalten Sie von uns eine Bestätigung mit der Post.“ Im Antragsformular waren unter anderem folgende Klauseln enthalten: Klausel 1 ,,Ja, ich möchte von Ihrem Tarif (…) profitieren. Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (abrufbar über www.1n.de/agb).„ Klausel 2 Ich bestätige, die Vertragszusammenfassung und Widerrufsbelehrung für meine Unterlagen erhalten zu haben.
Mit der Klage begehrte der Kläger Unterlassung der Verwendung der im Formular enthaltenen Klauseln. Nachdem die Beklagte bereits während des Verfahrens in voriger Instanz vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf eingestanden hatte, dass Klausel 2 unzulässig sei, ging es im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof noch um die Frage, ob der Verweis auf die AGB im Internet zulässig ist.
Das Oberlandesgericht hatte zuvor geurteilt, dass die Klausel ,,Es gelten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (abrufbar über www.1n.de/agb)“ nicht den Anforderungen des § 305 Abs.2 Nr.2 BGB genüge und die Klage demnach begründet sei.
Nach dieser Norm werden AGB nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen.
Im vorliegenden Fall versendete die Beklagte ihre Werbeschreiben per Post. Das enthaltene Antragsformular musste von interessierten Kunden ebenfalls per Post zurückgeschickt werden. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts reiche in diesem Fall daher der Hinweis auf im Internet abrufbare AGB nicht, um von der Verschaffung einer zumutbaren Möglichkeit zur Kenntnisnahme sprechen zu können.
Anders als bei Vertragsschlüssen im Internet stelle der bloße Hinweis in der vorliegenden Konstellation einen Medienbruch dar, der zu einer unzumutbaren Erschwerung der Kenntnisnahme führe. Auch wenn der Zugang zum Internet heutzutage selbstverständlich geworden sei und vom beworbenen Tarif auch Internetdienstleistungen umfasst seien, dürfe nicht davon ausgegangen werden, dass die kontaktierten Verbraucher über ein internetfähiges Gerät verfügen. Darüber hinaus sei der Medienbruch nicht erforderlich, da die AGB dem Schreiben problemlos hätten beigefügt werden können.
Mit dieser Argumentation hielt das Urteil des Oberlandesgerichts der rechtlichen Prüfung des Bundesgerichtshofs stand. Dieser führte diesbezüglich weiterhin aus, dass bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung der Klausel die darin enthaltene Bezugnahme auf die unter der Adresse abrufbaren AGB eine dynamische Verweisung darstelle, mit welcher nicht nur die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unter der Internetadresse abrufbaren Vertragsbedingungen in den Vertrag einbezogen werden sollen, sondern auch sämtliche etwaig geänderte Versionen, die in Zukunft von der Beklagten unter der Adresse in das Internet gestellt werden.
AGB sind nach ihrem objektiven Inhalt einheitlich so auszulegen, wie sie von einem verständigen Vertragspartner unter Abwägung der Interessen verstanden werden. Nach ständiger Rechtsprechung sind dabei die Vorstellungen und Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen und rechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartners maßgeblich.
Den Ansatzpunkt bildet dabei nicht der gebotene objektive Wille, sondern in erster der Wortlaut. Verbleiben nach Anwendung sämtlicher in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel und sind demnach mindestens zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar, kommt die sich zu Lasten des Verwenders auswirkende Unklarheitsregel aus § 305c Abs.2 BGB zur Anwendung. Diese führt dazu, dass bei einer mehrdeutigen Klausel diejenige Auslegung zugrunde zu legen ist, die zur Unwirksamkeit jener führt.
Im vorliegenden Fall führe die Anwendung dieser genannten Maßstäbe dazu, dass die Klausel es der Beklagten ermögliche, Änderungen ihrer Vertragsbedingungen allein durch Einstellung ins Internet in bestehende Verträge einzubeziehen. Zwar könne die Klausel auch so verstanden werden, dass ausschließlich die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unter der angegebenen Internetadresse hinterlegte Fassung der AGB in den Vertrag einbezogen werden sollen, dieses Verständnis sei aber mangels Bezugs zu einer bestimmten Fassung nicht zwingend. Die bloße Bezugnahme auf eine Internetadresse in einem Formular lasse einen durchschnittlichen Vertragspartner nicht erkennen, welche Version der Vertragsbedingungen – auch etwa im Hinblick auf den Zeitpunkt der Absendung des Formulars oder Zeitpunkt des Vertragsschlusses – in den Vertrag einbezogen werden soll. Daher sei im Ergebnis ein Verstoß gegen das in § 307 Abs.1 S.2 BGB verankerte Transparenzgebot gegeben. Der Bundesgerichtshof stellt klar: Der Verwender von AGB hat Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner klar und verständlich darzustellen. Ein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum dürfe dabei nicht entstehen.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeigt erneut, dass es sich bei der Einbeziehung und Zulässigkeit von AGB um eine komplexe und vielschichtige Thematik handelt. Zu der Thematik können Sie die Rechtsanwälte der Kanzlei Handschuh + Lehmann Sie rechtssicher beraten.