Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat im Verfahren 5 Sa 284 a/24 mit Urteil vom 22.05.2025 entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der sich tätowieren lässt und deshalb erkrankt, dieses Risiko selbst zu tragen hat – ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht nicht.
In dem Fall, über den das Landesarbeitsgericht in zweiter Instanz zu entscheiden hatte, hatte sich eine Pflegehilfskraft den Unterarm tätowieren lassen. Die Folge? Eine starke Entzündung der frischen Tätowierung und Arbeitsunfähigkeit für mehrere Tage. Ihr Arbeitgeber verweigerte für den betreffenden Zeitraum die Zahlung des Arbeitsentgelts und der Fall landete vor Gericht. Die Arbeitnehmerin berief sich auf § 3 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetz. Danach hat der Arbeitnehmer im Krankheitsfall einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen, wenn er infolge einer Erkrankung an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft.
Das Landesarbeitsgericht hatte daher die Frage zu beantworten, ob die Arbeitnehmerin im vorliegenden Fall an ihrer Arbeitsunfähigkeit ein Verschulden trifft.
Die Arbeitnehmerin argumentierte, dass sie keine Entgeltfortzahlung wegen der Tätowierung, sondern für die nachträgliche Entzündung verlange. Dabei handle es sich um eine seltene Komplikation, die nur in 1 – 5 % der Fälle auftrete. Zudem seien Tätowierungen weit verbreitet und würden einen Teil der geschützten privaten Lebensführung darstellen.
Der Arbeitgeber argumentierte hingegen, dass die Frau in die Tätowierung und damit auch in die tatbestandsmäßige Körperverletzung eingewilligt habe. Daher habe sie auch das Risiko der anschließenden Infektion zu tragen. Ein allgemeines Krankheitsrisiko stelle die Infektion der Tätowierung nicht dar, sodass dieses auch nicht vom Arbeitgeber finanziell zu tragen sei.
Mit dieser Argumentation gewann der Arbeitgeber bereits in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Flensburg und auch das Landesarbeitsgericht schloss sich dem nun an und urteilte, dass die Entgeltfortzahlung zu Recht durch den Arbeitgeber verweigert worden war.
In seiner Urteilsbegründung führte das Gericht dabei aus, dass die Arbeitnehmerin ihre Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet habe. Dabei sei von einem Verschulden im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes auszugehen, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers einen groben Verstoß gegen das eigene Gesundheitsinteresse darstellt. Dies sei nach Ansicht des Gerichts der Fall, wenn ein verständiger Mensch im eigenen Interesse anders gehandelt hätte.
Das Gericht argumentierte, dass die Arbeitnehmerin selbst vorgetragen habe, dass eine Entzündung der Tätowierung in bis zu 5 % der Fälle auftreten könne. Dabei handle es sich nicht um eine so geringe Wahrscheinlichkeit, dass diese zu vernachlässigen sei und auch nicht um eine außergewöhnliche oder völlig fernliegende Komplikation. Wer dieses Risiko bewusst eingehe, begehe daher auch einen groben Verstoß gegen das eigene Gesundheitsinteresse.
Die Entscheidung zeigt, dass der Grad zwischen dem Schutz der privaten Lebensführung und einem groben Verstoß gegen eigene Gesundheitsinteressen ein schmaler sein kann – zu dieser und anderen arbeitsrechtlichen Problematiken können die in der Kanzlei Handschuh + Lehmann tätigen Rechtsanwälte Sie rechtssicher beraten.