Bei einer krankheitsbedingten oder auch personenbedingten Kündigung von Arbeitnehmern, die erhebliche, weil über sechs Wochen liegende Krankheitszeiten aufzuweisen haben, hat sich inzwischen bei allen Arbeitgebern herumgesprochen, dass zwingend zuvor ein betriebliches Eingliederungsmanagement (beM) da § 167 Abs. 2 S. 1 SGB IX durchzuführen ist.

Hat der Arbeitgeber dies unterlassen, ist er darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass auch ein beM nicht dazu hätte beitragen können, neuerliche Krankheitszeiten bzw. die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit zu unterbinden und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Es liegt daher auf der Hand, dass ein Arbeitgeber, der bei einer solchen Kündigung kein beM voranschaltet und dieses nicht zumindest anbietet ein großes Risiko fährt, den nachfolgenden Kündigungsschutzprozess zu verlieren.

Eine neuerliche Entscheidung des BAG zeigt aber noch einmal deutlich, dass man als Arbeitgeber einen solchen Prozess auch dann verlieren kann, wenn man zwar einmal ein beM durchgeführt, dies aber im erforderlichen Zeitraum nicht wiederholt hat.

In dem vom BAG mit Urteil vom 18.11.2021 – 2 AZR 138/21 entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber zwar ein beM durchgeführt, dies allerdings bereits am 05.03.2019. Am 26.02.2020 kündigte er zum 31.08.2020 das Arbeitsverhältnis. Alles in Ordnung, könnte man meinen, da noch innerhalb der Jahresfrist.

Die Kündigung war rechtswidrig, da nach Ansicht des BAG der Arbeitgeber verpflichtet gewesen wäre, nach § 167 Abs. 2 S. 1 SGB IX jedenfalls dann ein neuerliches beM vor dem Ausspruch einer Kündigung durchzuführen, sobald innerhalb eines Zeitraums von maximal einem Jahr weitere sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit überschritten sind. Erkrankt der Arbeitnehmer nach Abschluss eines beM daher erneut innerhalb eines Jahres für mehr als sechs Wochen, ist grundsätzlich erneut ein beM durchzuführen. Dies gilt auch dann, wenn nachdem zuvor durchgeführten beM noch nicht wieder ein Jahr vergangen ist.

Nach Ansicht der Richter gibt das Gesetz als Bezugszeitraum für die Arbeitsunfähigkeit von durchgängig oder wiederholt länger als sechs Wochen maximal die vergangenen 365 Tage gerechnet ab dem Überschreiten von sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit vor. Abzustellen ist daher im Ergebnis nicht auf die Jahresfrist, sondern ab wann seit dem letzten abgeschlossenen beM wieder sechs Wochen überschritten werden.

Das Gericht versteht daher den gesetzlichen Appell an den Arbeitgeber derart, dass der Arbeitgeber unverzüglich tätig werden muss, sobald die sechswöchige Schwelle überschritten ist. Daher lehnt das BAG eine Interpretation der Vorschrift dahingehend ab, nach der trotz bereits eingetretener Arbeitsunfähigkeitszeiten von mehr als sechs Wochen zunächst eine Mindestbetrachtungszeitraum von einem Jahr abgewartet werden kann.

§ 167 Abs. 2 SGB IX sei daher nicht derart zu lesen, dass mindestens ein Jahr gewartet werden könne nach einem bereits durchgeführten beM. Erkrankt der Arbeitnehmer nach Abschluss eines beM erneut innerhalb eines Jahres für mehr als sechs Wochen, sei vielmehr grundsätzlich erneut ein Bedürfnis für die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements gegeben.

Im entschiedenen Fall war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts das beM am 05.03.2019 abgeschlossen. Bis zum Ausspruch der Kündigung am 26.02.2020 war der Kläger aber bereits schon wieder an 79 Arbeitstagen und damit mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig krank. Im Ergebnis führte die Unterlassung eines neuerlichen beM im entschiedenen Fall zum Prozessverlust auf Seiten des Arbeitgebers.

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Autor:
Matthias Lehmann
Partner
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht
Zert. Restrukturierungs- und Sanierungsexperte (RWS)